Jürgen Vanek

*1974 | Mödling [AT]


„Ich male mit dem Schwanz!“ Jürgen Vaneks Anliegen ist, mit Bildwerken und Aussagen wie diesen zu provozieren – und er nimmt in Kauf, sein Publikum abzuschrecken, Ablehnung geradezu herauszufordern.
Vaneks Kunst und seine Aussagen über sich, sein Leben, seine Verfassung, lesen sich klar und ungeschminkt. Im ersten Moment wirken sie unvorsichtig, roh, manchmal grob und drastisch. Größtenteils befasst er sich mit Sex und Nacktheit, also dem mutmaßlich gewöhnlichsten Thema der Welt. Seine Menschendarstellungen verrenken und winden sich expressiv und in knalligen Farben, frei proportioniert, malerisch auf einige wenige anatomische Merkmale konzentriert und hochangereichert mit sexueller Appetenz.

Wie häufig, so obliegt es auch hier dem Publikum, seinem eigenen Gemütszustand gemäß, in Vaneks Bildern ein Wohlgefühl der Wollust zu entwickeln – oder aber Aggression auszumachen.
Wut ist tatsächlich auch eine seiner Triebfedern mit den Mitteln der Kunst nach außen zu treten, Sichtbarkeit zu erlangen. Mit seiner Direktheit jedenfalls entblößt Vanek nicht nur sich selbst, sondern so manche Projektion auf ihn und seine Erscheinung - und in der Folge auch auf seine Kunst. Denn mit Projektionen, vorgefassten Meinungen, Sichtweisen und Interpretationen hat Jürgen Vanek in seinem Leben reichlich Erfahrungen gemacht. Vanek ist seit seiner Geburt körper- und sprachbehindert. „Ich bin Spastiker“.

Jürgen Vanek zeichnet und malt seitdem er 25 Jahre alt ist. 2023 produzierte er in Eigenregie einen Bildband (siehe unten), in dem er sich in kurzen Sätzen selbst portätiert. So schreibt er von unangenehmen Begegnungen mit Menschen, Fragen zu seiner Kunst, die sich auf die Banalität von Technik und ihren Einschränkungen reduzieren: „Wie malen Sie, sind sie ein behinderter Mundmaler?“. Jürgen Vanek möchte sich allerdings mit solchen Stereotypen nicht aufhalten und schärft seine Klingen: „Nein (…) Ich male mit dem Schwanz!“

Seine Arbeitswerkzeuge sind keineswegs Genitalien. Er verwendet ganz konventionell Pinsel aus dem gutsortierten Einzelhandel. Vielmehr ist Sexualität ein zentrales Thema, das er in seine Kunst einfließen lässt, das ihn persönlich angeht - und mit dem er provozieren möchte. „Manchmal ist in meinen Kunstwerken eine Aggression zu erkennen (…) Ich male mit meinem Verstand, mit meiner Seele. Wenn ich einen Akt male, hat mein Schwanz einen großen Einfluß auf das Werk.“

Jürgen Vaneks Stil erinnert oberflächlich an einige Protagonisten aus dem Umfeld der Art Brut, einem um 1947 eingeführten und heute nur mit Vorsicht anzuwendenden Begriff. Künstler wie z. B. Bill Traylor, Carlo Zinelli oder Louis Soutter arbeiteten ähnlich flächig und malerisch reduziert. Auch Jean Dubuffet und die Künstlergruppe CoBrA versuchten in der Nachkriegszeit tradierte Akademismen über Bord zu werfen und zu einer Art ursprünglicher, ungestümer und vor allem authentischer Gestaltung zu gelangen.

Vanek hat grundsätzlich kein Problem mit stilistischen Vergleichen. Dennoch wehrt er sich vehement gegen Zuschreibungen wie Art Brut und Outsider Art, da sie seiner Meinung nach auf der Basis seiner Behinderung getroffen werden und an dem Eigentlichen, seiner Kunst, vorbeiführen. Kategorien wie diese wirken stigmatisierend, auch im Sinne positiver Diskriminierung: „Ich will nicht, dass die Menschen meine Bilder toll finden, nur weil ich behindert bin.“

Wie bei allen Kunstschaffenden, so wäre es auch bei ihm unsinnig, eine künstliche Trennung zwischen Form und Inhalten seiner Kunst und seiner Biografie vorzunehmen. Natürlich werden seine Bildwerke für den Außenstehenden durch die Kenntnis seiner Person, seines Wesens und seines Werdegangs aufgeladen, vielleicht auch verständlicher. Für die Bewertung seiner Kunst und für die Verortung im allgemeinen Kunstkontext sind `besondere´ Kategorien allerdings hinderlich, da sie die Zustandsgebundenheit, Abhängigkeit und Kausalität zwischen Behinderung und künstlerischem Output in den Vordergrund stellen.
Vanek lehnt ein Standing als Künstler mit Sonderrolle, als behinderter Künstler, ab. „Meine Werke sind Kunst. Ich will, dass meine Bilder bestaunt werden oder auch kritisiert werden. Als Kunst, mehr nicht!“

Die zentrale Problematik der Kategorien Art Brut und Outsider Art ist die beinahe ausschließliche Verwendung dieser Begriffe durch Kurator*innen und andere Fachleute der Kunstszene. Die Haltung der eigentlichen Protagonisten, der Künstler*innen hinter diesen Begriffen wird nur selten hinterfragt. Jürgen Vanek hingegen stellt sich als Künstler und als Aktivist gegen fremdbestimmte, künstliche Zuordnungen und arbeitet gegen vielfältige Formen des › Ableismus‘ in der Gesellschaft und letztlich auch in der Kunst an.

Jürgen Vanek lebt in Wien und arbeitet im Atelier 10.

Ausstellungen
Permanent ausgestellt im Atelier 10
2025  › Jürgen Vanek | Galerie allerArt, Remise / Bludenz [AT]
2024  › Bartwechsel | Atelier 10 / Wien [AT]
2023  › facelift | Atelier 10 / Wien [AT]
2019    Art Brut – Christos Haas – Johann Hauser – Jürgen Vanek | › Kleine Galerie /Wien [AT]

Publikationen | über Jürgen Vanek
2022  › Atelier 10 - now we are ten | Katalog, Atelier 10 [Hrsg.] / Verlag für moderne Kunst, Wien [AT]

Publikation | von Jürgen Vanek
2023  Ich male mit dem Schwanz | Eigenverlag / Wien [AT]

Website
Jürgen Vanek 

Soziale Medien
Jürgen Vanek [Instagram]

Engagement
› ZfK [Zentrum für Kompetenzen]

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